Foxtrott
Shimmy
Charleston
Black Bottom
NS und Tanz
Swing
Shag
Stepptanz
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Spektakuläre Tanzszenen aus alten Filmen



 

Nach 1918 führten die Entbehrungen der Kriegsjahre in Deutschland zu einer Vergnügungswelle, die vor allem in einer Tanzbegeisterung breiter Bevölkerungsteile Ausdruck fand. Insbesondere die amerikanischen Jazz-Tänze erfreuten sich großer Beliebtheit, entsprachen sie doch den gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit in besonderem Maße. Strenge Grenzen zwischen Mann und Frau wurden aufgehoben, da es bei diesen Tänzen keinerlei spezifische, geschweige den hierarchische Positionen der Geschlechter gab. Wer, wenn überhaupt die Führung übernahm, mußte sich erst auf der Tanzfläche erweisen.
 

Foxtrott
Der aus Amerika stammende Foxtrott überschwemmte1918 ganz Europa. Er zeichnete sich durch flinke Beinbewegungen aus, die dem Fuchstrab nahekamen. Tiefe Kniebeugen, Spreizschritte und Sprünge, bei denen die Beine hoch in die Luft geworfen wurden, gehörten ebenso dazu wie das Anhalten mitten im schönsten Schwung (breaks). Vorgeschriebene Schrittfolgen gab es nicht. Der Foxtrott wurde vielmehr als Etikett für Herumprobieren angesehen. Die Paare versuchten mit Eifer sich an Originalität zu übertreffen, wobei auch die strenge Paarbindung mitunter aufgegeben wurde. Allerdings bemühte sich der 1922 gegründete Allgemeine Tanzlehrerverband (ADTV) um die Einführung einheitlicher Vorschriften, die den Foxtrott schließlich zu dem heutigem Parkettschleicher zurechtstutzen .

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Ich hab' das Fräulein Helen baden seh'n

Shimmy
Der Shimmy aus Amerika trat in Deutschland spätestens 1920 die Nachfolge des Foxtrott an. Als ein Jazz Dance (Oberbegriff für afroamerikanische Bewegungskultur) basierte dieser Tanzstil auf energischen Vibrationen des Körpers, ohne sich von der Stelle zu rühren. Am häufigsten wurde das Becken geschüttelt, manchmal einzelne Hüften oder nur die Hinterbacke. Das kurze Kleid mit übereinanderliegenden Fransen der Damen zeichnete die Schüttelbewegungen besonders deutlich nach. Die Paarstellung war praktisch aufgelöst. Das Wort Shimmy ist afrikanischen Ursprungs und steht im Slang der Schwarzen für starke Erregung und Geschlechtsverkehr. Insbesondere die Jugend sah in diesem Tanz aufgrund seiner provokanten Erotik eine Möglichkeit zu nonkonformistischem Verhalten gegenüber prüder Bürgerlichkeit. Im Gegensatz zu allen westlichen Nachbarländern dominierte der Shimmy Deutschland ein halbes Jahrzehnt. 

Fräulein, bitte woll'n Sie Schimmy tanzen?
(1921 Text J. Brammer/A. Grünwald, Musik: E. Kálmán)
Fräulein, bitte woll'n Sie Schimmy tanzen?
Schimmy, Schimmy, ist der Clou vom Ganzen!
Früher einmal machten es die Wilden.
Jetzt gehört's dazu, um sich zu bilden.
Früher war es schocking,
jetzt gehört's zum guten Ton.
Schimmy, Schimmy ist die große Mode,
Schimmy ist die Sensation. 

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I like to shimmy like my sister Kate

Charleston
Beim Charleston handelt es sich ursprünglich um eine Jazz-Melodie aus dem Broadway-Negromusical "Running Wild", die ab 1923 um die Welt ging und auch in Deutschland eine Lawine auslöste. Durch geschickte Vermarktung wurden Tanzmode und Plattenverkauf gegenseitig in Schwung gebracht. So wurde auf den Plattenhüllen eine einheitliche Choreographie des neuen Modetanzes abgedruckt. Eine Tanzbeschreibung von 1925 führt an: "Der Torso zittert, dazu die Bewegungen der Hüften, Schenkel und Hinterbacken. Auch die Hände sind aktiv, sie berühren alle Teile des Körpers wie in Ekstase. Dazu kommen die abwechselnden X- und O-Beine, damit verbunden die nach außen und innen gedrehten Knie und Füße. Der Tänzer kann seinen Rücken beugen oder gar in Hockstellung gehen." Schnelligkeit der Bewegungen waren wegen der bis zu 148 Rhythmen pro Minute  (normaler Tanz  höchstens 80-78) notwendig. Mit den rudernden Arm- und Beinbewegungen wirkten die Tänzer daher wie Wettläufer. Die Fähigkeit zur isolierten Bewegung einzelner Körperteile, die auch bei diesem Tanz entscheidende Bedingung war, verweist als Grundprinzip aller schwarzer Tänze auf die afrikanischen Quellen des Charleston. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929, als sich der Großteil der Bevölkerung die abendlichen Vergnügungen nicht mehr leisten konnte, verlor der Tanz seine Bedeutung. 

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Charleston

Black Bottom

1926 folgte ein weiterer Platztanz auf Jazzmusik, mit heftigen Vor- und Rückschwüngen des Beckens, die ihm den Namen Black Bottom (schwarzer Hintern) verliehen, da dieses sexuell aufgeladene Mittelstück des Körpers unverhohlen auf der Tanzfläche erschien. Die Vorläufer des heißen Backentanzes hießen Tommy (Slang für Unterleib) und Ballin' The Jack (Slang für Liebesakt). Der Black Bottom übernahm deren unzweideutige Symbolik, wobei das aneinanderstoßen der Hintern, der "bump" sozusagen der Höhepunkt war. Weißen Hintern kam der Zusammenprall eine Idee zu anstößig vor. Der Tanz verschwand daher sehr schnell wieder von der deutschen Tanzfläche.

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Black Bottom

NS und Tanz
Mit Beginn der Weltwirtschaftkrise änderte sich die Musikmode. Statt der heißen Jazz-Musik herrschten nun Schlager mit Liebesleid und Altheidelberg-Nostalgie vor. Dieser falschen Idylle entsprach die Wiederentdeckung sentimentaler Tänze wie Walzer und Tango. Der Gesellschaftstanz war wieder auf dem Vormarsch. Allerdings wurden jetzt ausgehend von England verbindliche Bewegungsvorschriften für diese "Standardtänze" festgelegt, die von ausgeprägtem Ordnungssinn bestimmt waren. Das kam der nationalsozialistischen Bewegungsauffassung entgegen. Zunächst bemühten sich die Nationalsozialisten jedoch die durchgängig ursprünglich fremdländischen Gesellschaftstänze durch neue deutsche Volkstänze zu ersetzten, die, um Zucht und Ordnung zu garantieren, aus der Tanzfläche ein Exerzierfeld machten (Auf alte Tänze konnte man nur begrenzt zurückgreifen, da sie zu stark regional begrenzt und oft für den Geschmack der Nationalsozialisten zu übermütig und frivol waren.) Doch trotz "Reichsschulungswochen für Gemeinschaftstänze", die in allen 40 Gauen veranstaltet wurden, konnten sich die von oben verordneten pseudonationalen Neuschöpfungen wegen mangelnder Nachfrage nicht durchsetzen. Daher wurde wieder auf die Gesellschaftstänze zurückgegriffen, wobei diese bei ihrer Ausführung jeglicher Sinnlichkeit beraubt wurden. Der Rumpf musste besensteif bleiben, ein Verwringen des Oberkörpers vermieden werden. Der Blick war stets über die Schulter des Partners gerichtet. Der Mann führte, die Frau hatte zu folgen. 
 

Swing
Das aus Amerika kommende Swingfieber erfasste trotz massiver Gegenwehr der Nationalsozialisten Mitte der 30er Jahre auch das Dritte Reich. Seinen Höhepunkt erreichte es 1936 während der Olympiade, als internationale Orchester in Berlin Swingmusik spielen durften, da die Nazis gegenüber dem Ausland möglichst weltoffen erscheinen wollten. Der Swingtanz war eine neue Variante der bereits existierenden Jazztänze der 20er Jahre und entsprach dem 1927 in Harlem aufgekommenen amerikanischen Modetanz "Lindy Hop" (eine Anspielung auf den Jahrhundertflug Lindberghs). Er erforderte eine lockere Bewegung aller Gliedmaßen und wurde paarweise, meist dem Tempo folgend, mehr oder weniger wie der Foxtrott mit viel Improvisation getanzt. Allerdings enthielt der Lindy Hop akrobatische Figuren, bei denen die Partner sich gegenseitig über den Kopf und um die Hüften warfen. In Deutschland gab es diese Luftsprünge erst nach dem Krieg. Obwohl der Swingtanz als angeblich "artfremde Kulturschande" galt, wies er doch deutliche Parallelen mit alpenländischen Volkstänzen (z.B. dem Schuhplattler) auf: Swingtanzen macht Plattfüsse !offene Paarhaltung, Drehen unter dem Arm des Partners, gegenseitiges Hochheben. Besonders Jugendliche favorisierten Swingmusik und Swingtanz, setzten diese doch ein ganz anderes, attraktiveres Lebensgefühl - den "american way of life"  gegen den HJ-Einheitsdrill. Die getanzte Lebensfreude wurde daher als gefährlicher Widerspruch zu propagierter Zucht und Ordnung gesehen, so dass die "Swing-Jugend" mit Ausbruch des Krieges als wehrzersetzend zunehmend schärfer bekämpft wurde. 


 

(Das hier abgebildete Schild ist übrigens nicht authentisch, sondern die findige Idee einer Plattenfirma Mitte der 70er Jahren für ein Plattencover. Es gab kein generelles Verbot der Reichskulturkammer. Vor dem Krieg wurden nur vereinzelt lokale Swingtanzverbote erteilt.)
 

Im Zuge des Krieges gab es immer wieder Tanzverbote (für alle Tänze), bis es 1944 zur endgültigen Einstellung des offiziellen Vergnügungsbetriebes kam. Tanzen war somit im wesentlichen auf den kleinen privaten Rahmen beschränkt. Nach dem Krieg feierte der Swingtanz als Boogie-Woogie durch die amerikanischen Besatzungsmächte in Westdeutschland einen erneuten Siegeszug. 

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Je suis Swing
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It don't mean a thing
(if it ain't got that swing)
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Let's do the
Lindy Hop

 

Shag

Bildlink: ''The Shag'',  aus ''Ladies' Home Journal'' von 1938
(clickable Image)
Dieser Modetanz war in den 30er Jahren in Amerika besonders bei der Jugend beliebt. Seine Kennzeichen waren kleine, schnelle Schritte und eine enge Körperhaltung. Er eignete sich daher für flotte Swingmusik und volle Tanzflächen. Eine Tanzanleitung befindet sich als Link am Bild.

 

Stepptanz
Seit den zwanziger  bis hin zu den 50er Jahren erfreute sich der Stepptanz bei Tänzern und Publikum großer Beliebtheit, wobei er seinen Höhepunkt während der dreißiger Jahre erfuhr. Bei diesem Tanz wurde der Rhythmus durch schnellen Bewegungswechsel zwischen Hacken und Spitzen (steppen) der mit Steppeisen versehenen Schuhe akzentuiert. Bekannte amerikanische Stepptänzer waren Fred Astaire, Gene Kelly, Eleonor Powell, die Nicholas Brothers und der Kinderstar Shirley Temple. Die deutschen Pendants - Marika Rökk Evelyn Künneke und die Höpfner-Zwillingen - erreichten in ihren Filmen und Auftritten allerdings nicht die Eleganz der amerikanischen Vorbilder, trugen aber zur Beliebtheit dieses Tanzes in Deutschland entscheidend bei.
Wie im Nationalsozialismus üblich, wird eine "artgerechte" Entstehungs- geschichte in dem Buch "Step-Tanz im Selbstunterricht" von 1940 präsentiert: 
 

"Und wenn er (der Steptanz) sich auch von Nordamerika aus die Welt erobert hat, so ist er dennoch weder etwas rein Amerikanisches noch hat er irgend etwas mit Niggern zu tun. Seinen Ursprung hat der Stepptanz vielmehr in alten nordischen Fischertänzen, in denen sich die ihm eigentümlichen "Schläge" teilweise bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Seine Vorahnen sind also im Volkstanz verwurzelt, so auch im bayrischen Schuhplattler ..."
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Let's scuffle



(aus "Stepptanz im Selbstunterricht", 1940)



 
 

Literaturhinweise:
Eichstedt, Astrid u. Polster, Bernd: 
          Wie die Wilden. Tänze auf der Höhe ihrer Zeit, Berlin 1985.
Schär, Christian: 
           Der Schlager und seine Tänze im Deutschland der 20er Jahre. Sozialgeschichtliche Aspekte zum Wandel in der Musik- und Tanzkultur 
           während der Weimarer Republik, Zürich 1990.
Wolffram, Knud: 
           Tanzdielen und Vergnügungspaläste. Berliner Nachtleben in den 
           dreißiger und vierziger Jahren., Berlin 1992. 

 
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