"Auf der Suche nach Ton-/Bildaufnahmen oder Menschen, die mit
meinem Vater zusammengearbeitet haben, begegnen mir, auch wenn es lange
zurückliegt, immer wieder Menschen, die sich an ihn erinnern. Für
mich ist es eine Lebens-/Herzensaufgabe, das Leben meines Vaters so vollständig
wie möglich zu erfassen, ein kleines Danke Schön an meine Eltern
für die schöne Zeit und ein Gruß an eine Musik- und Zeitepoche,
die man, trotz den auch weniger guten Zeiten, nicht vergessen sollte."
Mehr als vierzig Jahre prominente Tätigkeit im Dienst der gepflegten
Tanzmusik kennzeichnen das Leben von Adalbert Luczkowski, dessen Karriere
u.a. mit herausragenden Formationen wie der "Goldenen Sieben", dem
"Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchester" und schließlich (in
leitender Funktion) dem Tanz- und Unterhaltungsorchester des Westdeutschen
Rundfunks verbunden ist. Am 8.Dezember 2000 wäre Adalbert Luczkowski
100 Jahre alt geworden – Gründe genug, seines Lebens ausführlicher
zu gedenken!
Die Familie Luczkowski, die Anfang 1900 aus Dresden nach Berlin gekommen
ist, nimmt ihren 1. Wohnsitz in Berlin-Reinickendorf, Schillingstrasse
10. Als mittlerer von drei musikalischen Söhnen wird Adalbert Luczkowski
am 8.Dezember 1900 geboren.
Die Familie Luczkowski (v.l.)
Adalbert, Waldemar und Edmund
Danach zieht die Familie um nach Berlin-Moabit (noch in den 30er
Jahren weist das Berliner Adressbuch den Familiensitz in der Beusselstr.
34 aus).
Sein älterer, 1899 in Dresden geborener Bruder Edmund wird Pianist,
leitet zeitweise seine eigene Band als „Felix Luczkowski und sein Konzert-
und Jazzorchester“, dem Alli auch kurz selbst angehört, und spielt
u.a. auch zur Unterhaltung im Hotel Adlon. Nach dem Krieg arbeitet er als
Klavierlehrer und tritt, gemeinsam mit seinen Schülern auch öffentlich
auf.
Der musikalische Weg des jüngeren Bruders, des 1904 in Berlin
geborenen Schlagzeugers Waldemar „Waldi Luczkowski“ ist über weite
Strecken eng mit dem von Adalbert verknüpft. Er wird Schlagzeuger,
spielt gemeinsam mit seinem Bruder Adalbert in verschiedenen Orchestern,
u.a. in der Studioband „Die Goldene Sieben“. Nach dem Krieg arbeitet er
zeitweise als Korrepetitor in den Babelsberger Filmstudios und lebt später
in Rüdesheim. Er betreibt dort ein Lederwarengeschäft.
Adalbert gilt aufgrund seines virtuosen Geigenspiels schon mit neun
Jahren als musikalischer Wunderknabe. Er studiert am Scharwenka-Konservatorium
bei Professor Wittenberg und tritt – unter falscher Namensangabe - 1915
in das berühmte Blüthner-Orchester ein. Noch im Krieg wird er
erstmals Mitglied eines Spitzen-Tanzorchesters, als ihn Marek Weber verpflichtet.
Er arbeitet zeitweise auch als Kinogeiger.
1919 gründet er seine erste eigene Kapelle. In den 20er Jahren
sind Engagements für dieses Ensemble durch Anzeigen u.a. 1925 im Admirals-Cafe
und im Faun belegt.
Im Herbst 1929 tritt er mit seinem Bruder Waldi in das Mitja Nikisch
Orchester ein. Hierbei handelt es sich um ein zu dieser Zeit außerordentlich
gut besetztes, mit hochkarätigen internationalen Solisten gespicktes
Ensemble, was Rückschlüsse auf die musikalischen Qualitäten
der Brüder zulässt.
George Hirst, Danny Polo, David Bee und Christian Wagner zählen
zu den Solisten der Band, üder die der in Berlin vielbeschäftigte
Gitarrist Otto Sachsenhauer mir sagte;“Die beste Band, der ich jemals angehörte!“
Leider sind aus der Zeit dieser Besetzung vom Nikisch-Orchester nur wenige
Plattenaufnahmen erhalten.
1930 gehört Adalbert Luczkowski zum Bühnenorchester des
Singspiels „Phäa“ von Fritz von Unruh. Er spielt beim Auftrittslied
des eifersüchtigen Curt Bois „Guck doch nicht immer nach dem Tangogeiger
hin“ mit schmachtender Geige ebendiese umschwärmte Gestalt.
Das nächste belegte Engagement erhält Alli im Herbst 1931
bei den „Royal Orpheans“, der Band des holländischen Spitzentrompeters
Louis de Vries, die u.a. im Cafe Wörz am Kurfürstendamm engagiert
ist.
Mit dieser Band wechselt er im Januar 1931 nach Hamburg ins Cafe
Siegler. Er bleibt nach dem Auseinanderfallen der Band zunächst dort
und wirkt 1932 als Geiger beim NORAG (Norddeutsche Rundfunk Aktiengesellschaft)
Tanzorchester unter der Leitung von Francesco Scarpa mit.
Zurück in Berlin gründet A. Luczkowski wieder eine eigene
Kapelle (mit unbekannter Besetzung), er gastiert 1932/33 nacheinander in
allen führenden Berliner Hotels (Excelsior, Adlon, Esplanade, Eden),
spielt im April 1933 neben drei anderen Kapellen zur Wiedereröffnung
des Moka Efti Tiergarten.

Er geht dann mit seinem gegründeten Tangoorchester auf eine Spanien-Tournee
„ALLY LUCZKOWSKI Y SU ORQUESTA ESPANOLA. Vor Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges
(1936-1939) kehrt er 1934 nach Deutschland zurück.
Sein Bruder Waldi hat sich unterdessen dem renommierten Orchester
von Hans Bund angeschlossen, Alli folgt ihm Mitte 1934. Zu dieser Zeit
gelingen dem ausgezeichnet besetzten Orchester einige hörenswerte
Hot-Dance-Klassiker wie „S.O.S. ich suche dringend Liebe“ oder „Get hot
foot“. Aus dem Bund-Orchester heraus, dem neben Adalbert Luczkowski zu
dieser Zeit u.a. auch Kurt Hohenberger, Erhard Krause, Franz Thon, Georg
Hentzschel und Harold Kirchstein angehören, formiert sich im Herbst
1934 eine heute zur Legende gewordene deutsche Spitzenband,"Die Goldene
Sieben". Ihr gehört Adalbert Luczkowski über den ganzen Zeitraum
des Bestehens bis 1940 an.
Die Goldene Sieben:
Das solistische Orchester
|
Die Goldene Sieben:
Weil der D-Zugführer
heute Hochzeit macht
|
Die Goldene Sieben (v.l.)
:
Kurt Hohenberger, Rudi Wegener,
Waldemar (Waldi) Luczkowski, Franz Thon, Adalbert Luczkowski,
Erhard Kraus, Georg Haentzschel
Die Goldene Sieben:
Darf ich bitten?
|
Die Goldene Sieben:
Ich wollt ich wär ein Huhn
|
Die Goldene Sieben:
Granada
|
Schallplattenproduktionen und Mitwirkung in einigen Spielfilmen (u.a
"Liebe, Jazz und Übermut") waren damals das Betätigungsfeld dieses
Orchesters. Kurt Hohenberger, Erhard Krause, Franz Thon, Bruno Saenger,
Willi Stech, Rudi Wegener, Waldemar und Adalbert Luczkowski, Harald M.Kirchstein,
Georg Haentzschel, Kurt Wege, Willi Berking, Eddie Brunner, Erwin Steinbacher,
Ernst Höllenhagen und Eddi Brunner.
Da das Orchester anfangs nur im Plattenstudio arbeitet, bleibt 1935
für Alli noch genügend Zeit, um mit einer neuen eigenen Kapelle
im Resi aufzutreten, der aus dem Bund-Orchester auch Karl Grassnick angehört.
Artikel: "Besuch beim Deutschlandsender und seinem neuen Tanzorchester"
von Ulla Miepold, 1935 (Inhalt, bitte Bild anklicken)
Ab 1936 ist "Die Goldene Sieben" zunehmend auch in Rundfunk und im
Filmstudio beschäftigt. In zahlreichen Filmen, so z.B. „Heimweh“,
dem Harry Piel-Film „Sein bester Freund“ oder dem Kurzfilm „Die Brezel“
sind die Brüder der Luczkowski im Orchester gut zu erkennen. Die häufige
Arbeit in Filmstudios bedingt enge Freundschaften Allis mit damaligen Stars
wie Hans Albers, mit dem er Stammgast beim Sechstagerennen war, oder Willy
Fritsch. Darüberhinaus wirkt der leidenschaftliche Hobbyfußballer
im Künstlerfußballclub „Oase“ des "Sender Freies Berlin" mit,
der seine Spiele regelmäßig auf dem Gelände des BSV 92
am Hohenzollerndamm austrägt.
1936 – 1941 ist A. Luczkowski als Kapellmeister bei der Grammophon-
und Filmgesellschaft in Berlin tätig. Seine Auftrittsorte sind u.a.
Café Berlin, Café Vaterland, Eden Hotel, Frühlingsgarten
Kissingen, Stephanie Hotel Baden, Alpenhof Garmisch, Casablanca Madrid
und Aufnahmen für den Tonfilm „Libelle“ im Ausland.
Nach der Auflösung der Goldenen Sieben sind die Brüder
Luczkowski vorwiegend in der Truppenbetreuung (8/1941 – 3/1942), teilweise
auch noch in Filmorchestern tätig.
Anfang 1942 gehören sie zu den mehr als 30 ausgewählten
Musikern, mit denen das "Deutsche Tanz- und Unterhaltungsorchester" seine
Tätigkeit in Berlin aufnimmt, Leitung Georg Haentzschel (und ab November
1943 in Prag fortsetzt). Dieses Privileg bedeutet, dass ihnen der Kriegsdienst
als Soldat erspart bleibt.
Deutsches Tanz- u.
Unterhaltungsorchester:
Das Fräulein Gerda
|
Deutsches Tanz- u.
Unterhaltungsorchester:
Wir machen Musik
|
Nach der Flucht aus Prag kurz nach Kriegsende kehrt A. Luczkowski
nicht mehr nach Berlin zurück.
Er arbeitet in verschiedenen norddeutschen Rundfunk-Anstalten, so
zunächst im
08/1941 – 03/1942 Unterhaltungsorchester des Senders
Hannover
04/1942 – 05/1945 Konzertmeister und Leiter des Deutschen
Tanz- und Unterhaltungsorchesters Berlin
06/1945 – 10/1945 Konzertmeister und Leiter beim Rundfunk
Hamburg
11/1945 – 04/1947 Tanzorchester Bremen (mit Friedrich Meyer
und Erhard Krause (aus der Goldenen Sieben)
05/1947 – 10/1947 Frankfurter Radio-Tanzorchester, Leiter
11/1947 – 12/1965 Kapellmeister des Tanz-und Unterhaltungsorchesters
beim WDR/NWDR
1947 übernimmt er die Leitung des Tanz- und Unterhaltungsorchesters
beim WDR (damals noch NWDR) in Köln.
Die nun folgende umfangreiche Rundfunktätigkeit macht ihn zu
einer Zeit, wo Radiohören noch eine Leidenschaft darstellte, gewissermaßen
in jedem deutschen Wohnzimmer bekannt.
Unter seiner Leitung entstehen eine Fülle von Hörfunkproduktionen,
die in musikalischen Unterhaltungsprogrammen (u.a.„Das ideale Brautpaar)
gesendet werden. In einer Vielzahl öffentlicher Konzerte hat er sich
einen bedeutenden Namen erworben. Er ist bis zu seinem Eintritt in den
Ruhestand, am 01. Januar 1966, leitender Dirigent des Kölner Tanz-
und Unterhaltungsorchesters des WDR und konnte auf eine erfolgreiche künstlerische
Tätigkeit zurückblicken. Für Millionen von Rundfunkhörern
wurde das Orchester unter seiner Leitung zu einem Begriff für gute
Unterhaltungsmusik und bekam internationalen Klang. Das Repertoire von
Adalbert Luczkowski reichte von der leichten Tanzmusik bis zur anspruchsvollen
Unterhaltungsmusik. Diese prominente Position hat er bis zum Ruhestand
Ende 1965 inne.
Ab 1949 beginnt Adalbert Luczkowski, der vor dem Krieg bei einer
Vielzahl von Plattenproduktionen unter anderer Leitung mitgewirkt hat,
dann auch mit Aufnahmen unter eigenem Namen.
Die heiße Tanzmusik ist nicht gerade seine Leidenschaft,dennoch
gelingen ihm einige gute Hot-Aufnahmen wie „Rag Mop“ oder „Schwarze Panther“
dank erstklassiger Solisten wie Heinz Schachtner oder dem späteren,
berühmten Paul Kuhn und Hans („James“)Last. Vor allem taucht sein
Name bei vielen Plattenhits als Leiter des Begleitorchesters auf, u.a.
bei Stars wie Eddie Constantin, Wolfgang Sauer, Peter Alexander, Caterina
Valente, Bibi Johns, Margot Eskens, Rene Carol und viele mehr. Durch Austausch
von Rundfunkproduktionen erlangt das Orchester auch internationalen Ruf:“...
ein ganz ausgezeichnetes Ensemble, das wirklich homogen und vollkommen
ausgeglichen arbeitet. Blech und Saxophone sind von allererster Qualität,
die sonore Behandlung der Pasaunensoli ist hervorragend, ebenso der Einsatz
des Basses, mit einem Wort, bei absolut modernem Stil ist dieses Orchester
stets in jeder Phase musikalisch ...“ heißt es in einer französischen
Rezension.
Tourneen des Orchesters u.a. nach Frankreich, Belgien und Holland
festigen diesen Ruf.
Paul Hindemith, die brasiianische Kaffeekönigin und die Kaiserin
Hermine lassen sich privat von ihm aufspielen oder kommen eigens in das
Hotel, um ihn zu hören. Henry Ford bedankt sich für sein Spiel
mit einem 200 Dollar Check, Marlene Dietrich kühlt seine Wunde, nachdem
er auf einer Bananenschale ausgerutscht war, Paul Lincke spielt mit ihm
Skat. Willy Fritsch zählt zu seinen Duz-Freunden, mit Hans Albers
besucht er fast jedes Sechs-Tagerennen. Mit Albert Einstein spielt er im
Berliner Ärzteorchester
Sehr häufig ist das Orchester auch im recht jungen und eindimensionalen
deutschen Fernsehen zu sehen, so z.B. bei den deutschen Ausscheidungen
zum Grand Prix de Eurovision.
Last but not least ist Adalbert Luczkowski -aus seiner Zeit mit
der Goldenen Sieben schon ein Expperte auf diesem Gebiet- mit seinem Orchester
auch häufig in den Filmstudios tätig. Wer Filmprogramme sammelt,
wird Allis Konterfei in gar nicht wenigen 50er-Jahre-Ausgaben der „Illustrierten
Filmbühne“ wiederfinden.
Am 1.Januar 1966 geht Adalbert Luczkowski schließlich in den
Ruhestand, den er jedoch leider nicht mehr sehr lange genießen kann.
Nach langer schwerer Krankheit verstirbt er am 27.März 1971.
Nachdem diese Geschichte einer vergangenen Musikepoche und eines
von mir geliebten Musikers fast endet, ein paar Worte zu der Initiatorin:
Ich wurde im Jahre 1960 als Tochter von Ellen und Adalbert Luczkowski
geboren, was mich sehr stolz macht. Zu Lebzeiten meines Vaters bin ich
vielen lebendigen und herzensguten Künstlern, Musikern und Schauspielern
begegnet, die heute für viele rückblickend eher nostalgisch anmuten.
Den Menschen, denen ich begegnet bin waren voller Lebensfreude und voller
Musik. Ich habe dieses Gefühl, das ich ohne Tanzen und Musik aus dem
Herzen nicht leben will, nie verloren.
Meine Mutter war ein Energiebündel an Vitalität und Lebensfreude
und mein Vater hat mir die Freude am Tanzen und schöner Musik ins
Herz gelegt.
Vor ca. einem Jahr habe ich angefangen das gesamte Leben meines
Vaters zu recherchieren und möchte an dieser Stelle all den Menschen
von Herzen danken, die mir mit Adressen, Verzeichnissen und Informationen
geholfen und mich in meinem Vorhaben unterstützt haben.
Auf der Suche nach Archivmaterial in jeglicher Form freue ich mich
über Zuschriften von interessierten Menschen und erreiche vielleicht
auch jemanden, der die Musik selbst noch erlebt und gespielt hat.
Informationen bitte an folgende Adresse:
Dagmar Luczkowski
Schmidt-Blegge Str. 6
51469 Bergisch Gladbach
Privat: D (+49) – (0)2202 – 99 59 858
Mobil: 0172-2136323
Email: dluczkowski@gmx.de
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