Chicago: Hochbahn
am "Loop"
Geschichten aus grauer Vorzeit
Nur Kennern des Chicago Jazz der zwanziger
Jahre ist der Name Frank Teschemacher oder Frank Teschmaker, wie ihn Musikerfreunde
nannten, heute noch ein Begriff. Geschichten über die Austin High
School Gang, deren Mitglied Teschemacher war, klingen wie Erzählungen
aus grauer Vorzeit. Dabei war der Klarinettist ein Mann, über den
Kollege Max Kaminsky erzählte, in Musikerkreisen sei man überzeugt
gewesen, "Tesch" hätte mit seinem Klarinettenspiel den drei Jahre
jüngeren Benny Goodman "von der Bühne spielen" können. Der
Kritiker James Lincoln Collier hat die Musik Teschemachers und Goodmans
mit musikwissenschaftlichen Methoden untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis,
dass Goodman 1928 der "deutlich bessere Klarinettist von beiden"
gewesen sei, räumt aber ein, beide Musiker hätten einen vergleichbaren
stilistischen Ansatz gehabt und sich gegenseitig beeinflusst. Collier:
"Die beiden Männer bewunderten ihr Können gegenseitig." Gemeinsam
war ihnen auch, dass der Klarinettist Jimmy Noone eines ihrer Vorbilder
war. Teschemacher bewunderte neben Noone auch Johnny Dodds und den Kornettisten
Bix Beiderbecke. Mezz Mezzrow erinnerte sich: "Bix war sein Mentor und
sein Idol." Der deutsche Kritiker Joachim Ernst Berendt sieht Tesch in
der Nachfolge von Leon Rappolo, dem Klarinettisten der New Orleans Rhythm
Kings.
Tatsächlich fühlte sich Goodman
Teschemacher überlegen, weil er für sich in Anspruch nahm, im
Gegensatz zu Tesch die Klarinette technisch korrekt zu spielen, und es
lag ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Musikern darin, dass
Goodman sich in erster Linie als Klarinettist, Teschemacher sich aber zunächst
einmal als Jazzman verstand. Jimmy McPartland, der sowohl Goodman als auch
Teschemacher gut kannte, fällt ein eindeutiges Urteil: "Teschemacher
war unser fester Klarinettist, und er hatte was drauf - aber Benny war
ihm weit voraus."
In der Jazzkritik ist Teschemacher nicht unumstritten.
Die dänischen Kritiker John Jörgensen und Erik Wiedemann schreiben:
"Er wurde wegen seines frühen Todes Gegenstand übertriebener
Hochschätzung in gewissen Jazzkreisen. Die New Orleans Renaissance
nach 1945 wertet ihn als talentvollen Epigonen." Und Martin Kunzler meint:
"Andere äußern Zweifel (Anm.: An seiner wirklichen Bedeutung),
die sich anhand der auf Platten dokumentierten Bemühungen um Johnny
Dodds- wie um Jimmy Noone-Zitate und um einen aufgesetzten schmutzigen
("dirty") Ton eher zu bestätigen scheinen."
Grund dafür, dass Teschemacher heute
weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dürfte neben seinem frühen
Tod im Jahr 1932, der Umstand sein, dass er zeitlebens den Gang ins Schallplattenstudio
scheute. "Sollte er Schallplatten aufnehmen, überkam ihn ein Frösteln",
berichten Zeitzeugen. Die Zahl der Einspielungen, die er hinterließ,
ist entsprechend gering. Trompeter Joe Marsala spricht von einer Phobie,
die dazu geführt habe, dass keine seiner Aufnahmen sein wahres Können
zeige. Musikerkollegen bestätigen, dass keine seiner Schallplatten
an seine Live-Auftritte heranreicht.
Der Klarinettist Jimmy Noone. Vorbild
für Benny Goodman und Frank Teschemacher.
Chicago: Wolkenkratzer am Chicago
River
Die Blue Friar's Band
Frank Teschemacher wurde am 13. März 1906
als jüngstes von drei Kindern in Kansas City, Missouri, geboren. Sein
Vater Charles arbeitete bei einer Eisenbahngesellschaft. Seine Mutter war
Charlotte McCorkell Teschemacher.
1912 wurde Charles Teschemacher von seiner
Gesellschaft nach Chicago versetzt und die Familie zog in einer Gegend
an der Westside, die von der oberen Mittelklasse bewohnt wurde.
Frank erhielt als Kind den obligatorischen
Klavierunterricht, beschaffte sich aber bald ein Banjo und brachte sich
das Spielen auf diesem Instrument selbst bei. Als er zehn Jahre alt war,
beschlossen seine Eltern, ihn zum Geigenunterricht zu schicken. Auf diesem
Instrument machte er bald gute Fortschritte. Sein Interesse aber galt der
Unterhaltungsmusik und noch bevor er zur Austin High School kam, besaß
er ein Altsaxophon.
Teschemacher gehörte zur ersten Generation
weißer Musiker, die im Chicago der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
begannen, Jazz zu spielen. Junge Leute, die insbesondere von der Musik
der New Orleans Rhythm Kings begeistert waren, noch bevor sie die großen
schwarzen Jazzmusiker der Southside von Chicago gehört hatten. Trompeter
Max Kaminsky nannte sie "Träumer und Künstler". Einige dieser
jungen Leute, darunter "Tesch", waren Schüler der Austin High School,
die an der Westside in der Nähe von Washington Boulevard und Central
Avenue lag
Jimmy McPartland schildert, wie alles begann.
Er selbst und sein Bruder Dick, Teschemacher, Bud Freeman und Jim Lannigan
besuchten nach der Schule häufig eine Milchbar, das "Spoon & Straw".
Dort gab es ein Grammophon und Platten der beliebtesten Unterhaltungsorchester
wie Paul Whiteman, Art Hickman und Ted Lewis. Als eines Tages die ersten
Platten der New Orleans Rhythm Kings in der Milchbar eintrafen, waren die
Schüler elektrisiert. Das war die Musik, die sie begeisterte. Sie
saßen stundenlang in dem Lokal, hörten der Musik zu und beschlossen,
selbst eine Band nach dem Vorbild der Rhythm Kings zu bilden. Einer ihrer
Lieblingsorte war auch die Kneipe "The Nest", wo der Klarinettist
Jimmy Noone auftrat. Eddie Condon erinnert sich: "Wir hörten uns Jimmy
Noone an, der mit einer Klarinette Sachen anstellte, die keiner für
möglich gehalten hätte. ... Er hatte goldene Klappen auf seiner
Klarinette, und fast jede Nacht nach ein Uhr zeigte ihr Becher hinunter
auf (Frank) Teschemacher, der gegen die Bühne gelehnt dasaß
und zu Jimmy hochstarrte."
1922 gründeten sie, sie waren damals
zwischen 14 und 17 Jahre alt, die Blue Friar's Band. Den Namen entlieh
man sich von dem Friar's Inn Society Orchestra, wie sich ihr Vorbild, die
New Orleans Rhythm Kings bei Schallplattenaufnahmen nannten. Friar's Inn
war übrigens ein berüchtigtes Gangsterlokal in der Innenstadt,
dem Loop von Chicago. Besitzer des Lokals war Mike Fritzel. Die Besetzung
der Blue Friar's Band bestand aus Jimmy McPartland (Trompete), Bud Freeman
(C-Melody-Sax), Frank Teschemacher (Geige), Dave North (Piano), Dick McPartland
(Banjo, Gitarre), und Jim Lannigan (Baß). Gelegentlich kamen
Benny Goodman (Klarinette) und Dave Tough (Schlagzeug) hinzu.
1923 wurde der Konzertagent Husk O'Hare auf
die Blue Friar's aufmerksam und nahm sie unter Vertrag. Er änderte
den Namen der Band in The Blue Dragons und verschaffte ihnen Jobs im Rundfunk
und bei Tanzveranstaltungen.
1924 verließ Jimmy McPartland die Blue
Friar's, um in New York City Bix Beiderbecke bei den Wolverines zu ersetzen.
Die Chicagoer waren jetzt ohne Leiter und verhielten sich musikalisch weitgehend
inaktiv. Man diskutierte und theoretisierte über den Jazz, wobei Dave
Tough als intellektuelle Führungspersönlichkeit eine zentrale
Rolle spielte. Ähnlich bedeutsam war die Rolle von Tesch. Mezz Mezzrow:
"Tesch war der Philosoph unseres Orchesters. Er wäre vielleicht ein
Trinker geworden, wenn ich ihn nicht zu Marihuana-Rauchen gebracht hätte.
Chicago Theater ca. 1930
Husk O'Hare's Wolverines
Ab Ende 1924 gingen auch die verbliebenen Mitglieder
der Blue Friar's fast ausnahmslos zu den Wolverines, die sich später
(1925) Husk O'Hare's Wolverines nannten. O'Hare war nicht etwa der Bandleader,
sondern der Buchungsagent, für den die Gruppe arbeitete. Teschemacher
spielte jetzt Klarinette, nachdem ihn Bud Freeman mit diesem Instrument
vertraut gemacht hatte. Als Posaunist war Floyd O'Brian hinzugekommen und
Dave Tough gehörte der Band nun als ständiger Schlagzeuger an.
Teschemacher hatte sich inzwischen zu einer professionellen Musikerkarriere
entschlossen und verließ zum Kummer seiner Eltern die Austin High
School ein Jahr vor dem Schlussexamen ohne Abschluss.
Die immer noch jugendlichen Musiker der Austin
Hig School Gang spielten im Sommer 1926 im White City, einem Vergnügungspark
am Ende der Southside, ein Block von den Midway Gardens entfernt. Zuvor
waren sie im Riverview Park in De Moines, Iowa, aufgetreten.
Es war die Zeit, in der die Musiker nach Ende
ihrer Arbeit nachts in die Clubs der Southside fuhren, um dort Louis Armstrong
oder Jimmy Noone, der im Apex Club spielte, zu hören. Andererseits
besuchten Musiker wie Armstrong, Beiderbecke und Zutty Singleton die Wolverines
an ihrem Arbeitsplatz und zollten ihnen Anerkennung. Das war für
die immer noch semi-professionelle Band von großer Bedeutung, denn
unter den etablierten Berufsmusikern galten sie bislang noch als "the wild
West Side mob".
Husk O'Hares Wolverines fielen auseinander,
als Teschemacher sie verließ, um ein Engagement bei Floyd Towne anzutreten,
der zunächst vom Triangle Café, einem Gangster-Club, dann vom
Midway Garden's Café engagiert war. Townes Kapelle war aus
der Band von Sig Meyer hervorgegangen. Bei Towne traf Tesch auf Musiker
wie Muggsy Spanier, Floyd O'Brian, Danny Altier, Jess Stacy und George
Wettling .
Paradise Theater Chicago, ca. 1928
Erste Schallplatten: Die McKenzie-Condon
Chicagoans
Die McKenzie-Condon Chicagoans sollten zur
bekanntesten Gruppe des weißen Chicago Jazz neben den Beiderbecke-Gruppen
werden. Gegründet wurden sie als Schallplattenband. Der frühere
Jockey aus St. Louis Red McKenzie hatte bei dem Label Okeh einen Aufnahmetermin
arrangiert, und die Musiker kamen in dieser Besetzung zum ersten Mal am
9. Dezember 1927 zusammen, um die Stücke "China Boy" und "Sugar" aufzunehmen.
Eine Woche später kamen noch "Nobody's Sweetheart" und "Liza" hinzu.
Es waren für Teschemacher die ersten Schallplattenaufnahmen.
Die Band im Chicagoer Aufnahmestudio bestand
aus Jimmy McPartland (Kornett), Frank Teschemacher (Klarinette), Bud Freeman
(Tenorsaxophon), Joe Sullivan (Piano), Eddie Condon (Banjo), Jim Lannigan
(Bass, Tuba) und Gene Krupa (Schlagzeug). Bei der zweiten Aufnahmesitzung
wirkte zusätzlich Mezz Mezzrow (Cymbals) mit. Teschemacher hatte kleine
Rahmenarrangements geschrieben. Krupa gehörte damals noch nicht zur
ersten Wahl. Er wurde nur deshalb zu den Aufnahmen herangezogen, weil weder
Dave Tough, der sich mit Danny Polo in Frankreich auf Tournee befand, noch
George Wettling greifbar waren. Eddie Condon erzählt, dass Krupa mit
vollständigem Schlagzeug im Okeh-Aufnahmestudio erschienen sei. Aufnahmeleiter
Tommy Rockwell wollte ihm untersagen, Basstrommel und Tom Toms zu benutzen.
Zulässig seien nur Snaredrum und Becken. Alles andere würde das
Aufnahmegerät ruinieren. Es gelang, Rockwell davon zu überzeugen,
dass der Einsatz des vollständigen Schlagzeugs unverzichtbar sei.
Die Aufnahmen gelangen und seitdem ist "schweres Gerät" in den Studios
zugelassen.
Die Platten wurden ein voller Erfolg und machten
die Chicagoans auch an der Ostküste bekannt. Unter Bezug auf die eingespielten
Titel äußert sich Autor Richard Hadlock kritisch zur damaligen
Spielweise Teschemachers, die er als ungleichmäßig bezeichnet.
Zeitweilig seien seine Chorusse atemberaubend erfinderisch, dann aber wieder
gebe es Phrasen, die man nur als raue Karikatur der Spielweise von Jimmy
Noone bezeichnen könne.
Eddie Condon, Musikerkollege und
Weggefährte von Frank Teschemacher
Nach diesen Aufnahme arbeitete Tesch weiterhin
für Floyd Towne.
Im Februar und im April 1928 war Frank Teschemacher
als Mitglied von Charles Pierce und seinem neunköpfigen Orchester
erneut im Schallplattenstudio. Pierce war ein Schlachter und Hobby-Saxophonist
aus Chicago. Im Februar wurden mit Muggsy Spanier (Kornett) und Tesch die
Titel "Bull Frog Blues" und "China Boy" aufgenommen. Im April folgten "Jazz
Me Blues", "Sister Kate" und "Nobody's Sweetheart".
Zur gleichen Zeit gelang es McKenzie, zwei
weitere Aufnahmetermine zu landen. Am 5. April 1928 nahmen die Jungle Kings
die Titel "Friar's Point Shuffle" und "Darktown Strutters Ball" auf.
Die Besetzung bestand aus Spanier, Teschemacher, Mezzrow, Sullivan, Condon,
Lanigan, Krupa und McKenzie. Dieselben Musiker gingen am 4. April und am
28. April unter dem Namen Chicago Rhythm Kings zu weiteren Aufnahmen ins
Studio. Beim April-Termin war zusätzlich die Sängerin Elinor
Cherier dabei.
Mezz Mezzrow berichtet, dass er in jener Zeit
mit Tesch befreundet war: "Spät abends fuhren Tesch und ich oft zum
Rande des Grant Parks, wo wir in der Nähe des Springbrunnens hinter
Soldier's Field hielten. Die ganze Nacht spielten wir dann Klarinettenduos
im Stil von Jimmy Noone und Doc Poston bis wir blau im Gesicht waren."
Sheridan Plaza Hotel Chicago, ca.
1928
Der Big Apple ruft
Die große Zeit des Chicago-Jazz ging
1928 ihrem Ende entgegen. Die Jazzszene verlagerte sich mehr und mehr nach
New York. Die McKenzie-Condon-Chicagoans nehmen diese Herausforderung an
und wechselten im Mai 1928 mit Ausnahme von Jim Lannigan vom Michigan See
an den Hudson River. Sie quartierten sich in zwei Zimmern des Cumberland
Hotels in der 54. Straße am Broadway ein und lebten, wie Marshall
Stearnes erzählte, "von gebackenen Bohnen sowie Salz- und Pfeffer-Sandwiches".
Schließlich gelang es Ihnen, vom Palace Theater nahe des Times Sqare
engagiert zu werden. Ihre Aufgabe war es, Tanzpaare zu begleiten,
die auf der Bühne Ballroom-Tänze vorführten. Nach dem Eröffnungsabend
am 16. Juli 1928 veröffentlichte die Zeitschrift "Variety" eine vernichtende
Kritik. Sie sprach vom "armseligsten 7-Mann-Orchester der Welt". Anders
Elias E. Sugarman im Magazin Billboard. Er hatte eine bemerkenswerte 7-Mann-Besetzung
gehört. Trotzdem endete die Beschäftigung im Palace bald nachdem
sie begonnen hatte. Teschemacher gelang es, für drei Wochen von Ben
Pollack angestellt zu werden, in dessen Saxophonsatz er Gil Rodin vertrat.
Als er zusammen mit Condon, Sullivan und Krupa einen Schallplattentermin
bekam, diente das Honorar der Bezahlung der Hotelrechnung.
Es zeigte sich bald, dass es für die
Chicagoans als Gruppe wenig Auftrittsmöglichkeiten gab, wohl aber
für die einzelnen Musiker in verschiedenen Orchestern. Die Band fiel
in deshalb in New York auseinander und Teschemacher spielte in den Orchestern
von Ben Pollack, Red Nichols, Jan Garber und Sam Lanin, Miff Mole und den
Dorsey Brothers. Seine letzten Schallplattenaufnahmen in New York machte
er 1928 mit den Dorsey Brothers und Don Redman.
Die Chicagoans galten als "wilder Haufen",
in deren Umfeld Teschemacher eine vergleichsweise seriöse Persönlichkeit
war. Schon äußerlich wirkte der schlanke, unscheinbare junge
Mann mit dicker Hornbrille, der zudem noch schielte, eher wie ein Buchhalter
als ein Jazzmusiker. Zudem hatte er eine solide musikalische Ausbildung,
die ihn befähigte, zu seinem Lebensunterhalt in den großen Unterhaltungsorchestern
zu spielen, wenngleich das nicht die Musik war, die er liebte.
Zu dieser Zeit, hatte sich Tesch, wie Richard
Hadlock schreibt, von der strengen New Orleans-Form entfernt und seinen
Jazzstil so verfeinert und verbessert, dass er stilistisch zwischen Benny
Goodman und Pee Wee Russel stand.
Die New Orleans Rhythm Kings, Vorbild
der Austin High School Gang.
Wieder in Chicago
Nach fünf Monaten in New York bekam Teschemacher
Heimweh nach Chicago und nach seiner dort lebenden Frau Helen, die er erst
vor acht Monaten geheiratet hatte. Er ging zurück in die "Windy City"
und arbeitete ohne feste Bindung an eine Band.
Im Winter 1929 spielte Charles Pierce mit
seiner Band im Cinderella, einem China-Restaurant an der Ecke 62. Straße
und Cottage Grove. Dieser Gruppe gehörten auch Kaminsky, Teschemacher,
O'Brian und Wettling an. Kaminsky war begeistert, mit Jazz-Musikern wir
Teschemacher und Wettling musizieren zu dürfen: "Für mich war
jeder Tag wie ein Feiertag."
Es war die Zeit der Depression und auch für
Jazzmusiker waren die Lebensumstände alles andere als rosig. Max Kaminsky
berichtet, dass Tesch mit seiner Frau ein 1-Zimmer-Apartment bewohnte,
in dem gelegentlich auch er auf der Couch nächtigte. Leider hatte
Teschs Ehe keinen Bestand. Seine Frau wurde von seiner Familie nicht akzeptiert
und am 7. November 1930 wurde die Scheidung ausgesprochen.
In den Jahren 1929 und 1930 arbeitete Teschemacher
überwiegend in Chicago und Umgebung. Er ging mit dem Jan Garber Orchester,
für das er arrangierte und neben den Reed-Instrumenten auch Geige
spielte, auf Tournee. In diesen Jahren entstanden Aufnahmen mit Wingy Manone's
Club Royal Orchestra und Elmer Schoebels Friar's Society Orchestra, der
Nachfolgeband der New Orleans Rhythm Kings.
Ab 1930 arbeitete Teschemacher fast nur noch
in kommerziellen Bands. 1931 gehörte er dem Benny Meroff Orchester
an, das im Granada Ballroom auftrat. Hier lernte er den Kornettisten Wild
Bill Davison kennen, mit dem ihn bald eine Freundschaft verband. Gemeinsam
gründeten sie im Winter 1931/32 eine Big Band mit sorgfältig
ausgesuchten Musikern. Es zeigte sich, dass es für dieses Orchester
kaum Beschäftigung gab. Schließlich wurde die Band vom Guyon's
Paradise Ballroom in West Madison an der Chicagoer Westside engagiert.
Das Engagement sollte Anfang März 1932 beginnen.
Bud Freeman in einer Aufnahme aus
dem Jahr 1947.
Tod mit 25 Jahren
Am Abend des 29. Februar 1932 fuhren Teschemacher
und Davison in dessen offenem Packard zu Davisons Wohnung, wo Teschemacher
übernachten wollte, um gemeinsam eine Probe ihrer Big Band für
den kommenden Tag vorzubereiten. Auf dem Weg hielten sie einige Male,
unter anderem, um zusammen mit George Wettling das "Speakeasy" des
Bandleaders Charlie Straight zu besuchen. Um zwei Uhr in der Nacht
steuerte Davison das Auto auf der Magnolia Avenue in nördlicher Richtung.
Als Davison die Wilson Avenue kreuzen wollte, fuhr ihm ein unbeleuchtetes
Taxi in die Breitseite. Der Packard schlug gegen einem Baum und beide Insassen
wurden hinausgeschleudert. Tesch erlitt einen schweren Schädelbruch
und wurde in das rund eine Meile entfernte Ravenswood Krankenhaus gebracht,
wo er vier Stunden später starb.
Frank Teschemacher wurde auf dem Woodlawn
Friedhof nicht weit von der Austin High School in Anwesenheit seiner geschiedenen
Frau Helen beigesetzt. Zu seinen Sargträgern gehörten der Bandleader
Floyd Towne, Schlagzeuger George Wettling und Pianist Jess Stacy.
Klarinettist Pee Wee Russell sagte später:
" Wenn Tesch länger gelebt hätte, wäre er heute der größte
Klarinettist auf der Erde." Diese Meinung ist nach wie vor umstrittem.
Bei allen Kontroversen um Teschemachers Klarinettenspiel sollte man nicht
vergessen, dass Tesch selbst seine Kritiker stets ignoriert hat. Mike Donovan:
"Frank Teschemacher spielte Hot Jazz für Frank Teschemacher".
Tesch hinterließ Plattenaufnahmen mit
u.a. Charles Pierce, Eddie Condon, Chicago Rhythm Kings, Jungle Kings,
Chocolate Dandies, Miff Mole, Elmar Schoebel, Ted Lewis, Wingy Manone und
Muggsy Spanier.
Arcadia Ballroom Chicago, ca. 1915
Literatur:
- Joachim-Ernst Berendt/ Günther Huesmann,
Das Jazzbuch, Frankfurt/M. 1989
- Werner Burkhardt, Chicago, in Joachim-Ernst
Berendt (Hrsg.), Die Story des Jazz, Stuttgart 1975
- Ken Burns & Geoffrey C. Ward, Jazz,
eine Musik und ihre Geschichte, München 2000
- James Lincoln Collier, Benny Goodman - King
of Swing, München 1997
- Eddie Condon, Jazz - Wir nannten's Musik,
München 1960
- Mike Donovan, Frank Teschemacher 1906-1932,
www.redhotjazz.com
- Richard Hadlock, Jazz Masters of the Twenties,
New York 1965
- Nat Hentoff & Nat Shapiro, Jazz erzählt,
München 1959
- Max Kaminski & V.E. Hughes, Jazz Band
- My Life in Jazz, New York 1963
- Mezz Mezzrow/Bernard Wolfe, Jazzfieber,
Frankfurt/M. 1986
- Brian Rust, Jazz Records 1897-1942, London
1969 |